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und Schriftsteller

Bögli, Lina

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Lina Bögli (* 15. April 1858 in Oschwand BE; † 22. Dezember 1941 in Herzogenbuchsee BE) Lehrerin, Weitreisende und Reiseschriftstellerin


Leben

"Am 12. Juli 1892 bestieg Lina Bögli, vierunddreissig, in Krakau den Schnellzug, um eine Reise um die Welt anzutreten. Die Schweizerin, die als Gouvernante bei einem polnischen Grafen in Dienst war, reagierte damit auf den Heiratsantrag eines Offiziers, der aus Liebe zu ihr auf seine Karriere verzichten wollte. Vorsichtig, wie sie war, wollte Lina Bögli dieses Opfer nicht annehmen und setzte dem Verehrer zehn Jahre Bedenkfrist. Am 12. Juli 1902 würde sie wieder in Krakau zurück sein, und wenn er sie dann noch immer liebe, dann ...

Mit 1400 Franken in der Tasche reiste sie in die Welt hinaus, und als sie in Sydney ankam, besass sie gerade noch 5 Pfund Sterling. Schon wenige Wochen später unterrichtete sie gegen gutes Geld gleichzeitig an drei australischen Privatschulen! Das gleiche schaffte sie auch in Honolulu, in San Francisco und vielen weiteren Stationen ihrer Reise: sie suchte einen Job als Lehrerin und ersparte sich schnellstmöglich das Billett zur Weiterreise. Als sie am 12. Juli 1902 in Krakau aus dem Zug stieg, stand der Verehrer, dem sie die ganze Zeit nicht eine Zelle geschrieben hatte, erwartungsvoll auf dem Perron und bekam – einen Korb! Die Unabhängigkeit, die sie sich in all den Jahren errungen hatte, wollte Lina Bögli nun nicht wieder preisgeben.

Sie blieb ledig und zog auf das Schloss ihrer ehemaligen polnischen Arbeitgeber, um dort unter dem Titel 'Foreward' (Vorwärts) ihre Reiseerinnerungen zu schreiben. Ein Buch, das nach einem Bestseller-Erfolg in England und Amerika in neun weitere Sprachen, darunter 1906 auch ins Deutsche, übersetzt wurde und das bei allen Vorbehalten zumindest aus zwei Gründen auch heute noch lesenswert ist: weil es dem unbezwingbaren Selbstbehauptungswillen dieser eigensinnigen, draufgängerischen Frau ein lebendiges Denkmal setzt und weil es die koloniale Welt der Jahrhundertwende gleichsam naiv, völlig unverstellt, unbeschönigt und mitsamt ihren fatalen Vorurteilen widerspiegelt.

'Vorwärts' machte Lina Bögli derart berühmt, dass sie 1910 nach Japan und China aufbrach, um den Erfolg mit einer zweiten, dreijährigen Reise zu wiederholen. Als die neuen Erlebnisse 1915 unter dem Titel 'Immer vorwärts' erschienen, hatte die Verfasserin sich bereits in ihr Heimatdorf Herzogenbuchsee zurückgezogen, um da, bis zuletzt als Vortragsreisende, Erzieherin und Lehrerin rastlos tätig, ihren Lebensabend zu verbringen. Schon das zweite Buch hatte, mitten im Ersten Weltkrieg, nur noch einen Achtungserfolg erzielt, und als Lina Bögli 1941 mit 83 Jahren starb, war jene europäisch dominierte Welt, die sie bereist und beschrieben hatte, unwiderruflich zum Untergang verurteilt. Und der gefoppte Freier von 1902? Der hat es bis zum Festungskommandanten gebracht und ist 1914 auf dem Felde der Ehre gefallen ..." (Quelle: Charles Linsmayer


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