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Das Lexikon der Berner Schriftstellerinnen
und Schriftsteller

Aktuell 2011-05-26: Literarische Auszeichnungen des Kantons Bern

Aus literapedia bern

Die kantonale deutschsprachige Literaturkommission verleiht 2011 fünf Literaturpreise des Kantons Bern für herausragende aktuelle literarische Arbeiten. Ausgezeichnet werden Arno Camenisch, Franz Dodel, Lukas Bärfuss, das literarische Ensemble «Bern ist überall», sowie das Duo Pedro Lenz und Patrik Neuhaus. Erstmalig vergibt die Literaturkommission zwei Anerkennungspreise an Tommy Vercetti und Franziska Müller und Tobias Lambrecht. Ein "Prix Trouvaille" geht an Urs Mannhart und Ernst Schär.

Die Berner Literatursaison 2010/11 war ertrag- und abwechslungsreich. Die kantonale deutschsprachige Literaturkommission hatüber 60 Werke und Texte von Berner Literaturschaffenden diskutiert; darunter publizierte oder aufgeführte neue Bücher, Theatertexte, Hörbücher, Hörspiele sowie literarische Kleinformen, Spoken Word und Audio-CDs. Die Kommission vergibt 2011 fünf Literaturpreise des Kantons Bern in der Höhe von je 10'000 Franken, erstmals zwei Anerkennungspreise von je 5'000 Franken sowie einen mit 3'000 Franken dotierten Prix Trouvaille.

Literaturpreise 2011 für fünf herausragende literarische Arbeiten Selten vermag ein Jungautor mit seinem zweiten Werk gleich an die Qualität und den Erfolg des ersten anzuknüpfen:Arno Camenischtut es. Sein zweites Buch«Hinter dem Bahnhof» schildert eine kleine Dorfgemeinschaft aus der Kinderperspektive. Liebevoll und abgründig erzählt Camenisch in einer ebenso klingenden wieüberzeugenden Sprache von den Menschen im Dorf und malt Bilder, welche die Erinnerung an die eigene Kindheit lebendig werden lassen.

In kurzen, prägnanten, von persönlichen Eindrücken geprägten Porträts lässtFranz Dodelin seinem neusten Werk«Von Tieren» wohlbekannte Haustiere wie Katze und Hund in einem neuen Licht erscheinen. Vor den Augen des Lesers entfalten sich Hommagen, auch an Kleinstlebewesen wie die Fliege, die Ameise oder die Hummel, die anklingen an die antiken Vorbilder (u.a. Claudius Aelianus Betrachtungenüber Tiere), deren«Gelehrtheit» aber durch den humoristischen Duktus immer wieder gebrochen wird, und die grossen Lesegenuss bereiten.

Lukas Bärfusszählt zu den meistgespielten deutschsprachigen Theaterautoren der Gegenwart und hat Publikum und Kritik auch 2010 mit zwei neuen Stücken begeistert. Während er in«Malaga» tragisch-komische Szenen einer gescheiterten Ehe entwirft, wird in«Parzival» Wolfram von Eschenbachs Held als durchaus zeitgenössischer Parvenü auferweckt. Damit gelingt es Bärfuss in beeindruckender Weise, gleichermassen alte Stoffe in unsere Gegenwart zuübertragen als auch die beinahe antike Tragik aktueller Probleme offenzulegen.

«Bern istüberall»ist ein literarisches Ensemble, das als variable Literaten-Band auftritt und dabei inhaltliche sowie formale Grenzen sprengt.«Bern istüberall» zelebriert die Mundarten und huldigt dem Spiel mit der Sprache und der Mehrsprachigkeit; durch die musikalische Begleitung entsteht eine brillante Mischung an kunstvollem Sprachgebrauch, Rhythmus und erstklassiger Unterhaltung. Die zwölf aktiven Mitglieder sind Christian Brantschen, Arno Camenisch, Antoine Jaccoud, Guy Krneta, Pedro Lenz, Gerhard Meister, Michael Pfeuti, Noelle Revaz, Margrit Rieben, Michael Stauffer, Beat Sterchi und Ariane von Graffenried.

Das Duo Pedro Lenz und Patrik Neuhaus (Hohe Stirnen)erzählt im Bühnenprogramm«Tanze wi ne Schmätterling» aus ungewohnter Perspektive von der Boxlegende Muhammed Ali. Mit sprachlicher und musikalischer Sensibilität, einer Mischung aus Humor, Leidenschaft und Melancholie schaffen sie eine unverwechselbare Stimmung, Nähe zu den Figuren, Respekt für ihre Träume und ihr Kämpfen.

Anerkennungspreise für Mundart-Rap und Hörspiel Sowohl in der Literatur wie auch in der HipHop-Szene gibt es gängige Vorstellungen von dem, was man darf, und von dem, was man nicht darf. Der Mundart-RapperTommy Vercettibricht mit allen Regeln und schafft mit seinem Erstlingswerk einen wunderbaren, schwindelerregenden Balanceakt.

In ihrem ersten, der Tradition des«Neuen Hörspielsۚ» verpflichteten Hörspiel«Die Menschen - genau wie im realen Leben - sind unterschiedlich» schildernFranziska Müller und Tobias Lambrechtin offener Erzählform und aus wechselnden Perspektiven die Lebenswirklichkeiten und Tagträume von vier höchst verschiedenen Personen. Der immer wiederüberraschende, durchweg unterhaltsame und perfekt inszenierte Hörtext verweist eindrücklich auf dieüberall vorkommenden Brüche im Leben der Einzelnen und in der Gesellschaft unserer Tage.

Mit dem«Prix Trouvaille» würdigt die Literaturkommission schliesslich die wunderschöne Mappe«Halm oder die Verlängerung des Abends in die Gräser hinein» vonUrs Mannhard und Ernst Schär. Sie erzählt die kurze Geschichte eines städtischen Bahnhofs auf dem Land, auf dessen Bahnsteig die anspruchslosesten und schönsten Gräser wachsen. Ernst Schär hat die Gräser lithographiert.